Dienstag, 19. Oktober 2010

Seltsame Begebenheiten

In der Vorbereitung auf das Auslandsjahr hörte man immer wieder von der ganz anderen Mentalität der Menschen und den Kommunikationsproblemen, die sich daraus ergeben könnten. Das ging soweit, dass man letztendlich sogar das Gefühl bekommen konnte, man gehe unter irgendwelche Aliens oder Monster, die man mit äußerster Vorsicht behandeln müsse, um nicht gefressen zu werden. Umso erleichternder war dann nach meiner Ankunft hier die Feststellung, mich von ganz normalen Menschen umgeben zu finden, mit denen man reden, lachen und streiten kann, wie man es zu Hause auch tut.
Die durchaus vorhandenen Unterschiede fallen immer wieder an gewissen Kleinigkeiten im Alltag auf, woraus sich oftmals kuriose Situationen und Gespräche ergeben, bei denen man immer wieder die Frage gestellt bekommt: „Why you are like that?“ -Tja, diese kann ich so nur zurückgeben.

Dass die Namibier sehr gerne und viel Fleisch essen, hatte ich wohl schon erwähnt. Zugegeben, dieses ist hier auch unheimlich gut, da es so etwas wie Massentierhaltung nicht gibt. (Schließlich ist ja genug Platz.) Dass es aber Menschen gibt, die gerne Gemüse und vor allem Salat essen, können viele nicht verstehen. Wer isst denn schon Blätter? „Why do you eat gras? Maybe it is because you were a cow in your last life.“ Ja, das wäre natürlich eine Erklärung dafür.

Dass wir alle immer wieder neu geboren werden, als Mensch oder Tier, ist eine völlig logische Tatsache. Gespräch beim Mittagessen: „Me, I want to be an Elefant in my next life.“ „Oh, I want to be a lion.“, worauf man sich genau ausmalte, wie das dann wohl wäre. Dass der Gedanke der Reinkarnation im Christentum so verankert ist, war mir bis dahin noch nicht bewusst... Beinahe alle Menschen hier sind getauft und gehen regelmäßig in die Kirche. Bei einem Gespräch heute wurde heiß darüber diskutiert, wie oft man denn zu Jesus beten sollte. „When you not pray you will die soon, maybe in a car accident. But when you pray you will not die.“ So einfach ist das. Die traditionellen Religionen sind jedoch nach wie vor fest in den Köpfen verankert, das Christentum also nur so eine Art Zusatzversicherung.
Eines Tages erschien jemand mit einem Verband um den Arm zur Arbeit. Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass er sich irgendwie schlimmer verletzt hatte und eine Behandlung benötigte. Als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt, meinte er, er sei beim „Witch-Doctor“ gewesen, also ein traditioneller Medizinmann. Natürlich gehe er auch hin und wieder zu einem Arzt, aber wenn er wirklich krank sei, vertraue er lieber auf den Zauberdoktor, meinte der Betroffene. Dann gebe es eine Art Zeremonie mit Singen und Tanzen, man gebe ihm Salbe oder etwas der Ähnliches und am nächsten Tag könne er schon wieder herumlaufen.

Die Anwesenheit von diversen Geistern um uns herum scheint auch eine Tatsache zu sein, die niemand anzweifelt. Neulich meinte man doch tatsächlich, im Wohnhaus der männlichen Lehrer gehe nachts ein Geist umher, der nur mit Unterhose bekleidet durch die Zimmer wandle. Dass dieser tatsächlich für schlaflose Nächte verantwortlich war ist für mich als Europäer sehr befremdlich. Schließlich musste nach intensiven Diskussionen einer der Hausbewohner, der scheinbar schuld an dem nächtlichen Spektakel war, seine Sachen packen und ausziehen. Seitdem ist das Haus von bösen Geistern frei.

Nicht ganz so spektakulär, aber doch seltsam war eine Situation am letzten Wochenende im Park. Wir hatten uns dort einen Nachmittag lang gemütlich gelagert, zwischendurch Pizza geholt und dort gegessen und machten uns nun, wo es langsam dunkel wurde auf den Heimweg. Beim Zusammenpacken der Sachen hoben wir natürlich auch die lehren Pizza-Kartons auf, um sie am nächsten Papierkorb loszuwerden. Ganz erstaunt fragte uns einer der Jungs, „Why do you take this with you? What do you need it for?“ (Warum wir denn diese mitnähmen und wozu wir sie noch bräuchten). Auf die Idee, den Müll zu entsorgen wäre er wohl nicht gekommen. Als wir es ihm erklärten nickte er nur wortlos.

Herrlich fand ich es auch, wie eines der Kinder eines Tages feststellte, dass Weiße, wenn ihnen warm ist, rot im Gesicht werden können. „You and you and you...“- sie zeigte auf alle Weißen im Raum -“you are pink here.“ Damit meinte sie die Wangen. Ja, genau so ist das.

Diese fiesen Insekten, die äußerst unangenehme Stiche hinterlassen, sind nach Ansicht einiger Namibia nur in Afrika anzutreffen. Dass es Mücken in Deutschland auch gibt, wollte man mir hier kaum glauben. Das könne doch gar nicht sein, ob mich denn lustig machen wolle. Schön wäre es, aber ja, auch zu Hause wacht man im Sommer völlig zerstochen auf. Nur dass man davon keine Malaria bekommen kann.

Erstaunt war ich auch, als ich neulich im Gespräch mit einem APC-Lehrer erfuhr, dass er weder lesen noch schreiben kann. Das hätte ich wirklich nicht erwartet, denn man merkt es ihm nicht an. Nein, er habe noch nie eine Schule von innen gesehen und könne sich das gar nicht vorstellen, wie das so ist. Wie sitzt man denn da, so alle in Reihen hintereinander? Tja, Auto fahren, unheimlich musisch begabt sein und sich gut mit Technik auskennen kann man auch ohne Schule. Es gibt eben auch Bildung, für die man keine Schule braucht.

Nicht zuletzt seien an dieser Stelle die unzähligen Heiratsanträge erwähnt, die man hier als weißes Mädchen bekommt und die definitiv unter die Kategorie „seltsame Begebenheiten“ fallen. Anfangs war ich völlig irritiert, von Unterhaltungen, die ungefähr so verliefen:
„Hey, how are you?“
     - „Fine. And you?“
„Very Fine. What´s your name?“
     - „Mareike“
„Will you marry me?“
    -…
Inzwischen überrascht mich so etwas zumindest nicht mehr. Seltsam ist es dennoch, dass man einzig und allein aufgrund seiner Hautfarbe derartige Aufmerksamkeit erfährt. Glücklicherweise reagiert niemand beleidigt, wenn ich über dieses seltsame Verhalten lachen muss. Jedoch stelle ich mir nach wie vor ein ums andere Mal die Frage, warum ich als Weiße denn besser sein sollte als die Schwarzen.

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