Sonntag, 28. August 2011

Uuuuund Abflug!


Ein Jahr Namibia und plötzlich ist der letzte Abend gekommen, an dem die Koffer fertig gepackt und zugemacht sind. Die Stimmung zwischen uns Freiwilligen seltsam. Gemischte Gefühle. Wie wird es wohl sein, nach Hause zu kommen? So, wie man es sich monatelang vorgestellt hat oder ganz anders? Hat sich in Deutschland etwas verändert? Vielleicht ist man ja selbst inzwischen ganz anders geworden? Jeder hängt etwas seinen Gedanken nach.
Ein Jahr lang habe ich mich auf den Tag meiner Rückreise gefreut –morgen ist es soweit und ich bin nur noch verwirrt. So richtig kann ich es nicht fassen, es ist einfach unglaublich, dass es tatsächlich vorbei sein soll. Ähnlich wie die Ankunft in Namibia, wo alles viel zu schnell ging, mir alles unwirklich und wie ein vorkam –so ergeht es mir nun auch am Ende dieser Zeit. So ist das wohl, wenn man innerhalb weniger Stunden um die halbe Welt reist...

Auf jeden Fall bin ich unglaublich gespannt auf alles, was jetzt kommt. Im Moment kann ich es einfach überhaupt nicht einschätzen, aber ich werde ja sehen. Aber ich freue mich auf Zuhause, keine Frage! Ich freue mich auf euch alle in Deutschland und kann es kaum erwarten, bald da zu sein!!! 

Dienstag, 30.08.2011... Ankunft in Dresden!!!

Montag, 15. August 2011

Ein Jahr Tsumeb - und jetzt ?

Die Zeit rennt und da ich mir noch vorgenommen hatte, einige Dinge aufzuschreiben, so lange ich noch in Tsumeb bin, werde ich mich jetzt etwas ranhalten müssen... Heute in einer Woche werde ich schon auf dem Weg nach Windhoek sein, bis dahin sollte diese Wohnung vollständig ausgeräumt sein, meine Koffer gepackt und alle überflüssigen Gegenstände an Bekannte verteilt…
Im Rückblick auf ein ganzes Jahr Namibia, möchte ich doch wenigstens so etwas wie eine Bilanz -nein, das ist unmöglich, denn da würde ich vermutlich nicht mehr fertig mit schreiben. Momentan erwische ich mich selbst in meinem Alltag jedoch immer wieder beim Vergleichen: Wie wird das dann wohl in Deutschland sein? Besser, schlechter, anders? Um diese Dinge zusammen zu fassen, werde ich jetzt eine Liste aufstellen, die ich in den nächsten Wochen immer wieder ansehen, fortführen und 3möglicherweise völlig neu schreiben kann.

Dinge, die ich nicht vermissen werde…

  • das Essen, z.B. Weißbrot, das viele Fleisch, matschige Nudeln…
  • die Aufmerksamkeit, die mir als Weiße zuteil wird: dass mir auf der Straße jeder hinterher ruft, die  "Oshilumbu“-Rufe der Kinder, „Hey, give me 1 Dollar!“, „Gib mir deine Handynummer“, „Heirate mich!“, …
  • das nächtliche Krähen des Hahns vor meinem Fenster, das mir den Schlaf raubt
  • nach Sonnenuntergang das Haus nicht mehr verlassen zu können
  • die Minenluft, von der ich ständig Husten und Halsschmerzen bekomme
  • das Klamottenwaschen per Hand
  • das „Höflichkeits-Ja“, das man zu hören bekommen, wenn die ehrliche Antwort „Nein“ heißen würde
  • das unangenehme Gefühl der Metallfedern meiner Matratze in meinem Rücken
 
Dinge die ich vermissen werde: 
-    
  • morgens mit der Gewissheit aufwachen, dass draußen die Sonne scheint
  • meinen namibischen Namen „Maleika“
  • den täglichen Abschiedskuss von meiner kleinen Geigenschülerin Catrina
  • die 100 Frei-SMS pro Tag
  • unser herrlich improvisiertes Haus –nicht schön aber besonders-
  • Oshikandela –namibischer Trinkjoghurt
  • die „african time“ –es läuft eben alles etwas gemütlicher und ohne Hektik ab (Ich fürchte mit der Pünktlichkeit in Deutschland werde ich in Zukunft noch mehr Probleme haben.)
  • die Spontaneität -Dinge im Voraus zu Planen, hat ja sowieso keinen Sinn
  • viel Zeit zum Musikmachen, sowie die vielen mir dazu zur Verfügung stehenden Instrumente und anderen Musiker
  • von allen Menschen gegrüßt und mit Namen angesprochen zu werden –in Tsumeb kennt ja jeder jeden
  • das Schwätzchen mit der Dame am Postschalter, deren Namen ich nicht einmal kenne, ebenso mit den Security-Leuten usw.
  • die dicken namibische „Memes“ in langen bunten Kleidern
  • Sonntags noch schnell zum Supermarkt gehen können, wenn man was vergessen hat            
  • die tollen Briefe, Postkarten und Päckchen von Zuhause

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist nur eine Sammlung spontaner Einfälle, ein kurzer Abriss über meine gegenwärtige Sicht der Dinge. Wer weiß, wie ich das in drei Wochen sehen werde…

Samstag, 13. August 2011

"Kar - ne - val! Olé- Ola...!"


Mit riesengroßen Schritten geht meine Zeit hier in Tsumeb nun plötzlich dem Ende entgegen und eh ich es so ganz begriffen habe, werde ich wohl schon wieder im Flugzeug gen Heimat sitzen. Das was man so Zeitgefühl nennt, ist schon etwas sehr Seltsames, auf das man sich nicht verlassen sollte: Die ersten Monate hier zogen sich ewig hin, sodass die Vermutung nahe lag, ein Jahr sei eine ganze Menge. Nun aber kommt es mir im Rückblick lächerlich wenig vor und plötzlich fallen mir so viele Sachen ein, die ich in dieser Zeit versäumt habe und doch noch dringend tun wollte… Um zum Beispiel all die interessanten Orte des Landes zu sehen, die ich noch gerne bereisen würde, muss ich wohl eines Tages mit etwas mehr Freizeit und finanziellen Mitteln wiederkommen. Bei allen, die noch keine Postkarte von mir bekommen haben, muss ich mich an dieser Stelle entschuldigen...nehmt es nicht persönlich! Auch wollte ich doch noch so vieles aus meinem „namibischen Leben“ (-ja, es kommt mir tatsächlich vor wie ein ganz anderes Leben, das mit meinem in Deutschland wenig zu tun hat-) aufschreiben…

Ein ganz besonderes Phänomen in diesem Land habe ich am letzten Wochenende miterleben dürfen: den Karneval, der hier statt im Februar einfach im August gefeiert wird. 



Zugegebenermaßen habe ich in meinem Leben noch keinen richtigen Karneval gesehen, umso verrückter dass ich zu diesem Zweck erst nach Namibia gehen musste. Offensichtlich konnten sich die Einwanderer aus Deutschland wohl einfach nicht von dieser Tradition trennen und versuchen nun seit vielen Jahren, hier originalgetreu bis ins kleinste Detail einen deutschen Karneval zu imitieren. Was dabei herauskommt, ist eine etwas grotesk anmutende Veranstaltung:

„Und kommt ganz Afrika auch zu Fall,
In Namibia feiern wir trotzdem Karneval!“

Dieses Motto las ich auf einem der bunt bemalten Wagen des Karnevalsumzuges, an welchem wir als APC auch teilnahmen. Während alle anderen Gruppen ausschließlich aus Weißen bestanden, die in seltsamen Anzügen und mit Federhüten oder ähnlichem rufend und trinkend zu deutscher Volksmusik dem Publikum zuwinkten, fielen wir etwas aus der Reihe: Erst einmal fiel auf, dass ich die einzige Weiße war, zudem trugen die Marimba-Spieler bunte bedruckte Kostüme, unsere Musik ging in dem Lärm etwas unter, doch war sie jedenfalls alles andere als deutsch. Und hinter dem Wagen her tanzte eine Gruppe Mädchen barfuß in glitzernden Röckchen her. Im Kontrast zu den marschierenden deutschen Mädels in grün-weißen Kostümen mit weißen Stiefeln…



Unsere Prozession bewegte sich zwei Runden durch die Stadt, überall standen Menschen und winkten. Alkohol darf in Namibia nicht auf offener Straße getrunken werden, unter anderem deshalb lief das ganze wohl etwas gemäßigter ab, als das sonst der Fall gewesen wäre. Das dauerte etwa 2 Stunden, dann war die Veranstaltung im Grunde schon beendet. Für unsere Orchesteraufführung, die anschließend im Park stattfand, interessierten sich nur noch sehr wenige. Alles in allem: Es war ein Erlebnis. Vielleicht sollte ich nur so zum Vergleich doch einmal einen original deutschen Karneval besuchen.


Mittwoch, 3. August 2011

Julle - for someone very special...




„Teacher, you must learn me piano!“ –kennen gelernt habe ich ihn, wie fast jeden anderen Schüler auch: Eines Tages stand er vor mir und verlangte Unterricht, auf diese schamlos unhöfliche Art, die ich inzwischen fast gewöhnt bin von Kindern, denen das Wort „bitte“ scheinbar fremd ist. Wieder so einer, den ich in meinen Stundenplan schreiben und nie wieder sehen würde. Dachte ich.
Statt um zwei kam er eine halbe Stunde später. Die Uhr, die ich ihm zeigte konnte er nicht lesen, völlig aussichtslos. Leicht genervt fing ich an, ihm etwas über Klavierspielen zu erzählen, während er ungerührt aus dem Fenster starrte, um mich plötzlich auf etwas viel Interessanteres als das Instrument vor uns hinzuweisen. „Teacher, teacher, guck doch mal!“ Ganz egal was, ob es die anderen Kinder draußen, eine Spinne, meine Notenbücher waren, alles war spannender als das, was ich zu erklären versuchte. „Teacher, guck mal was ich kann!“ – Ach so, du kannst also schon Klavier spielen. Was mache ich dann eigentlich hier? Er liebte wohl eher etwas experimentelle Musik, bei der mir das Klavier schon fast Leid tat. Anfangs versuchte ich mein Bestes, um seine Aufmerksamkeit zu erringen und auf das -meiner Meinung nach – Wesentliche zu lenken. Länger als eine Minute konnte sich dieses Kind jedoch einfach nicht auf eine einzige Sache konzentrieren. Ich ließ ihn also vor sich hin klimpern und klimperte ein wenig mit. Improvisation –warum auch nicht. Hin und wieder versuchte ich, ihm etwas zu zeigen, was er teilweise sogar begeistert imitierte.
Auf diese Weise verbrachten wir also die erste Klavierstunde. Ich war erleichtert, als ich diese hinter mich gebracht hatte, mein Kopf dröhnte. Wieder so einer, der nach der ersten Stunde nicht wieder erscheinen würde…

Am nächsten Tag war er wieder da, obwohl er laut Stundenplan erst Woche wiederkommen sollte. Von da an kam er täglich. Und blieb den ganzen Nachmittag lang. Sobald das Klavier frei war stürzte er sich darauf und ich musste ihn förmlich von dort fort zerren, um den Platz für andere Schüler zu räumen. Sobald von diesen einer nicht erschien,  was des Öfteren mal vorkam, nutzte er die Zeit zum Spielen. Anfangs ging er mir eigentlich nur auf die Nerven. Irgendwann fand ich selbst Spaß an unserem „Drauflos-Improvisieren“ und er verstand nach und nach sogar, dass ein Instrument angenehmere Töne von sich gibt, wenn man nicht wild darauf herum hämmert. Bald akzeptierte er es sogar ohne Protest, wenn ich die Lautstärke des E-Pianos zurück drehte. Was mich am erstaunte: Julle schien nach und nach doch ein wenig Interesse für das zu entwickeln, was ich ihm zu erklären hatte. Dinge wie Notennamen lernte er mit der Zeit sogar recht gut. Vielleicht war er nicht unbedingt mein begabtester Schüler, doch das machte er durch seine Ausdauer auf jeden Fall wett. Ich fing an, ihn wirklich zu mögen. Seine Begeisterung war so rührend, dass ich ihn einfach nicht wegschicken konnte.


Abgesehen davon waren es jedoch vor allem die vielen gemeinsam verbrachten Nachmittage, die ihn für mich zu einem ganz besonderen Schüler machten. Jeden Tag betrachteten wir zusammen die kleinen Pflänzchen, die ich in einer Eisschachtel ausgesät hatte, pflegten diese liebevoll und verfolgten ganz gespannt deren Entwicklung. Während ich andere Kinder unterrichtete, malte er still in einer Ecke Bilder mit den Buntstiften, die ich ihm gab. Bald lag dort ein ganzer Stapel von Kunstwerken.  Herrlich waren auch die langen Gespräche, die ich mit Julle führte und in denen ich ihm die Welt erklärte. Diese begannen mit Fragen wie: „Teacher, was ist eigentlich Schnee?“ oder „Kannst du eigentlich auch so Klavier spielen wie die ganzen Buren im Fernsehen?“ (Buren nennt er alle Menschen mit heller Hautfarbe.)Meine Hautfarbe war natürlich besonders interessant: „Warum sind deine Finger denn so rosa?“ „Warum sind deine Haare so weich?“…  Er war ein sehr genauer Beobachter und machte sich viele Gedanken über die Dinge und Menschen seiner Umgebung. „Sag mal, wo ist denn eigentlich deine Mama?“ „Warum schlafen denn die Blumen?“ (Ich hatte meine Pflanzen einen Tag lang nicht gegossen.) Mir machte es bald Spaß, diesem wissbegierigen Kind Dinge zu erzählen. Über ihn selbst erfuhr ich nicht viel, nur ab und zu erzählte er von seinem großen Bruder, der irgendwo weit im Süden wohnt und einer Arbeit nachgeht, an die Julle sich nicht erinnern kann. Soweit ich das verstanden habe, lebt er selbst in Tsumeb mit seiner Mutter zusammen, die jedoch vor kurzem einen Unfall hatte und nach Oshakati ins Krankenhaus gebracht wurde. Der Junge lebte seitdem bei seiner Tante.


An all diesen Nachmittagen ließ es sich nicht vermeiden, dass ich ihn allein im Raum ließ. Vermutlich bin ich zu naiv, dass ich nach wie vor zu viel Vertrauen in die Menschheit habe. Jedenfalls ließ ich meine Tasche dort liegen. Eines Tages stellte ich fest, dass mir Geld gestohlen worden war. Wenig später fehlte die Tasche mit den Buntstiften, von denen doch alle Schüler so begeistert gewesen waren. Ich wollte es nicht glauben, aber es gab nur einen, der den ganzen Nachmittag nicht den Raum verlassen hatte: Julle. Die Erkenntnis tat mir in der Seele weh. Lange dachte ich darüber nach und beschloss dann, ihn zur Rede zu stellen. Es fiel mir unglaublich schwer, ihn darauf anzusprechen. Ich wollte ihn nicht verurteilen und unser besonderes Verhältnis nicht zerstören. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig. Ich versuchte also ganz vorsichtig nachzufragen, ob er vielleicht irgendetwas gesehen hatte… ich möchte keine Namen wissen, derjenige soll die Sachen einfach unbemerkt zurück bringen. -Er war es nicht, natürlich nicht. -Ich?? Nein, ich hab nichts gemacht! Wir wussten beide genau, worum es ging. Ich war den Tränen nahe, Julle schien das nicht zu beeindrucken.
So tragisch es ist, dies war vorerst das Ende unserer gemeinsamen Nachmittage. Ich stellte meine Tasche fortan im Büro ab und er traute sich ein paar Tage lang nicht mehr, zu kommen. Bald brachte ich ihn wieder dazu, wenigstens ab und zu seinem Unterricht zu erscheinen, doch danach verschwand er meistens auch wieder. Seit dieser ganzen Geschichte sind schon einige Wochen vergangen und inzwischen habe ich beschlossen, ihm die Sache nicht länger nachzutragen. Vor ein paar Tagen tauchte Julle plötzlich wieder auf. Ich versuchte gerade verzweifelt, zwei kleinen Vorschulmädchen zu erklären, wie man eine Geige hält, wobei ich während ich mich um eine kümmerte, ständig Angst um das Instrument der anderen haben musste… Da stand er plötzlich neben mir, korrigierte geduldig die Bogenhaltung des anderen Mädchens und erklärte ihr die Namen der Saiten.