“Hey, you are my sister, ne?” – meint einer meiner Schüler
freundschaftlich und legt mir den Arm um die Schulter. „Wir sehen doch gleich
aus, schau!“ fügt er hinzu, wobei er versucht, seine Nase langzuziehen, um die
meine zu imitieren.
Auch wenn ich zumindest im APC nicht mehr ständig an meiner
andere Hautfarbe erinnert werde –man scheint sich ja an mich gewöhnt zu haben-
gibt es doch immer wieder Punkte an denen mir klar wird, dass ich eben anders
bin und dass das für viele Kinder etwas sehr seltsames ist. Vermutlich haben
sie sonst nicht so viel Gelegenheiten, die Eigenarten eines solchen Wesens aus
der Nähe zu betrachten. Die Klavierstunden werden also genutzt, um dieses, also
mich, ganz genau zu studieren. „Warum ist deine Haut denn da dunkler als da?“
–meint einer und betrachtet meinen Arm von der Außen- und Innenseite. „Und
warum sind deine Finger so rot? Und deine Wangen?“ Ein kleines Mädchen stellt
ganz erstaunt fest, dass sich an den Stellen, wo sie mit dem Finger auf meinen
Arm drückt, ein weißer Fleck bildet, welcher sich anschließend rot verfärbt. Geduldig
erkläre ich ihr, dass dieser am nächsten Tag vermutlich blau sein wird.
„Und weißt du was, Teacher?“
-Nein, was denn? „Wenn ein Weißer barfuß läuft, dann werden seine
Fußsohlen ganz schwarz!“ – Ja, so ist das. Und wenn ein Schwarzer barfuß läuft,
dann sieht man, dass seine Fußsohlen weiß sind. Verrückt.
„Und warum ist deine Haut so weich? Schau, meine ist viel
rauer.“ –Das hat mit der Hautfarbe vermutlich nichts zu tun, sondern wohl eher
mit meiner Handcreme und damit, dass man eben vom Klavierspielen anders als von
Gartenarbeit keine aufgerissenen Hände bekommt.
Ganz
besonders interessant sind aber immer die glatten Haare , die alles so
unglaublich toll finden. „Teacher, can I touch your hair?“ –Darf ich deine
Haare anfassen? Anfangs kam es tatsächlich vor, dass 10 Mädchen um mich herum
standen, die alle in meinen Haaren wühlten und versuchten, mir kleine Zöpfe zu
flechten. (Andere Freiwilligen mit längeren Haaren, die natürlich mehr
Möglichkeit zum Frisieren boten, waren sogar noch beliebtere Zielobjekte solcher
Aktionen.) Ein siebenjähriger Junge strich mir während einer Autofahrt doch
tatsächlich eine halbe Stunde lang völlig fasziniert durch die Haare, während
ich zu schlafen versuchte.
Eine Frage, die ich beinahe von jedem Schüler und Lehrer
gestellt bekomme ist die, warum ich denn meine Haare abgeschnitten habe. „Why
did you cut your hair??“ Für sie ist es völlig unverständlich, dass jemand
freiwillig kurze Haare trägt. Die Frauen und Mädchen hier bringen in
stundenlanger mühevoller Arbeit Kunsthaar so an, dass es beinahe echt aussieht,
nur um keine kurzen krausen Locken haben zu müssen.
Scheinbar ist es für die meisten Menschen hier ebenso
schwer, uns Weiße zu unterscheiden, wie es mir am Anfang mit den Schwarzen
fiel. Obwohl wir meiner Ansicht nach völlig unterschiedlich aussehen, werden
Friedemann und ich immer wieder gefragt, ob wir Geschwister sind, wir sähen uns
doch so ähnlich -Im Übrigen wird mir diese Frage immer gestellt, wenn ich mit
einer anderen weißen Person unterwegs bin. Als nun Katharina, meine Schwester, nach
Namibia kam, erklärte man uns überall, wir sähen doch fast gleich aus, was man
wie ich finde nicht gerade behaupten kann. Dass unsere Augenfarben etwas
abweichend sind, mussten die meisten jedoch auch zugeben. Einer meiner Schüler
hatte wohl etwas genauer hingeschaut und fragte mich ganz interessiert, warum
meine Schwester denn hellere Haut habe, als ich. –Ja, das hat wohl mit der
Sonneneinstrahlung in Namibia zu tun.
Dass ich mir hier ab und zu wie ein besonders exotisches
Zoo-Tier vorkomme, daran wird sich wohl so bald nichts ändern. Nach wie vor bin
ich die Deutsche, die aus einem seltsamen Land kommt, in dem es in den
Vorstellungen Einiger nur Schnee und Eis gibt. (–„Was, ihr habt auch Sommer?
Ich dachte, bei euch schneit es immer.“, meinte vor kurzem eine meiner
Kolleginnen. ) Dennoch finde ich es irgendwie schön, von Menschen mit „Sister“
angesprochen zu werden und komme mir plötzlich gar nicht mehr fremd und anders
vor.