Donnerstag, 14. Oktober 2010

Eine Namibiarundfahrt...

Wie reist man in Namibia? Ganz einfach: Man packt einen Siebensitzer-Bus voll mit Menschen, falls man eine Polizeikontrolle passieren wird hält man sich an die vorgeschriebene Personenanzahl, ansonsten haben dort ja auch locker zehn oder mehr Personen Platz. Selbstverständlich herrscht in Namibia Anschnallpflicht. Immerhin gibt es einen funktionierenden Anschnallgurt, der sich am Fahrersitz befindet. Das ist doch schon einmal nicht schlecht. Das Erste, was man tut: Man schaltet das Radio an. Dabei hat man die Wahl zwischen zwei vorhandenen CD´s, die Frage ist also nur, mit welcher man anfängt. Im Laufe des Tages wird man beide vorwärts und rückwärts auswendig mitsingen können. Wenn die geplante Abfahrtszeit acht Uhr war, dann sind gegen neun alle da, man hat endlich alle wichtigen Dinge eingeladen und festgelegt, wer aufgrund der vorgegebenen Personenanzahl leider zu Hause bleiben muss. (In diesem Fall setzen sich die vier Freiwilligen + vier andere Lehrer vom APC durch, Kinder mussten leider zurückbleiben... unfair.) Es kann also losgehen.
Über den Sinn der Fahrt wird nicht nachgedacht, es geht hier nicht um das Ziel (das APC in Oshikuku), denn spät am Abend wird man sowieso wieder am Ausgangspunkt angelangt sein. Und den Tag über nichts getan haben, als im Auto gesessen. Das stört hier jedoch niemanden, denn was gibt es Schöneres, als stundenlang durch die Landschaft Namibias zu fahren? Und was gibt es Lustigeres, als einen Tag mit vielen Menschen in einem Kleinbus zu verbringen? Es geht also darum, das Im-Auto-Sitzen zu genießen. Demzufolge ist es unverzeihlich, dabei einfach einzuschlafen. „You must not sleep. Look out of the window! You must see Namibia.“ Und: „You must take photos.“ So ist das also. Gut, dass ich regelmäßig daran erinnert werde, mich so zu verhalten, wie es sich für einen echten Touristen gehört. Wir fahren Richtung Norden, verfahren kann man sich nicht, denn es gibt nur eine einzige geteerte Straße. Einspurig, versteht sich, weshalb man immer wieder in abenteuerlichen Überholmanövern an diversen Kleinlastern, Transportern oder ähnlichen Gefährten vorbeiziehen muss. Unser Fahrer scheint zu wissen, was er tut, er bremst immer rechtzeitig, wenn eine Gruppe Erdmännchen oder eine Herde Kühe die Straße überquert oder etwa ein kleinerer Wirbelsturm vorbeizieht.
Die einzige geteerte Straße... glücklicherweise gibt es noch Schotterpisten!

Die Musik wird aufgedreht, bis man sein eigenes Wort nicht mehr versteht und ich staune, wie man mit dem Lautstärkeregler gleichzeitig die Stimmung aufdrehen kann. Einige singen begeistert mit, und hüpfen auf den Sitzen hin und her. An uns zieht die herrliche Landschaft Namibias vorbei, soweit man sehen kann vertrocknetes Gras, Büsche, bald auch einige Palmen. Immer wieder werden wir auf wichtige Dinge hingewiesen, die wir unbedingt sehen müssen. „Look here, ...“ Die Abzweigung zum Etosha-Park, eine Lodge, eine Farm. Die Leute hier sind stolz, uns ihr Land zeigen zu können. Eine Stunde. Zwei Stunden. Es ist eng im Auto und sehr warm. „You are beautifu-fu-fu-fu-ful...“ singt unsere CD, die wohl leicht beschädigt ist, schätzungsweise zum fünften Mal. Ich lehne mich zurück, schaue aus dem Fenster und genieße die Fahrt. Ich glaube, ich mag dieses Land. Ich bin tatsächlich in Namibia...herrlich!
Bald muss eine Pause eingelegt werden, natürlich in einer Shebeen. So nennt man hier die kleinen Bars, die es an jeder Straßenecke gibt. Als wir den Raum betreten, empfängt man uns sehr nett, und dreht nun für uns als einzige Gäste die großen Musikboxen auf volle Lautstärke. Dagegen war das Autoradio ja ein Witz. Wir sitzen also an der Bar und trinken erstmal alle ein kühles Bier. Es ist gerade zwölf Uhr mittags. Nachdem man noch ein wenig an der Juke-Box und dem Spielautomaten gezockt hat, kann es weitergehen. Die Stimmung wird immer besser.
Inzwischen sind wir wirklich im Norden Namibias, der deutlich vom übrigen Teil des Landes zu unterscheiden ist. Die Straße ist hier nicht mehr rechts und links von kilometerlangem Maschendrahtzaun begrenzt. Und es ist nicht mehr völlig unbewohnt. Stattdessen sind überall Gruppen kleiner Hütten mit Strohdächern, kleine Blech-oder Steinhäuser zu sehen, die von Holzzäunen umrandet sind. Plötzlich sieht man auch Menschen, Gruppen von Frauen, die die Straße entlang laufen. Männer, die eine Herde Kühe über die Straße treiben. Kinder, die an der Straße stehen und uns Fisch verkaufen wollen. Ja, auch Wasser gibt es nun hin und wieder. Einige Tümpel und ein Gewässer, das man beinahe für einen Fluss halten könnte, würde es nicht plötzlich irgendwo enden.



Es scheint jedoch deutlich mehr Tiere, also Ziegen, Esel, Pferde und vor allem Kühe zu geben, als Menschen. Ob all diese Tiere einen Besitzer haben, ist nicht erkennbar. Vermutlich sind auch viele einfach herrenlos. Wir fahren durch eine Stadt, die einer europäischen Stadt unähnlicher nicht hätte sein können. Abgesehen von der geteerten Hauptstraße besteht der Boden überall aus Sand, in welchem alle der „zahlreichen“ Autos eine riesige Staubwolke hinterlassen. Die kleinen Häuser stehen sehr weit auseinander, dazwischen ist einfach viel Platz. Keine dicht gedrängten Gebäude oder zugepflasterten Flächen. Auf einem kleinen Grasstreifen weiden einige Ziegen, die frei herumzulaufen scheinen. Jedes zweite Haus trägt die Aufschrift „Shebeen“. Dieser Wirtschaftszweig scheint ja zu boomen. Wir fahren an einer Tankstelle vorbei, an einer Tanksäule läuft gerade eine Kuh vorbei. Ein kurioses Bild, das ich so schnell nicht vergesse.

APC Oshikuku
Irgendwann biegen wir von der geteerten Straße auf einen Sandweg oder vielmehr einen Sandstreifen, den man als Weg interpretieren könnte, ab. Man wird nun herrlich durchgeschüttelt, während wir im Slalom zwischen den Bäumen hindurch fahren. Endlich halten wir an, vor einem kreativen Eingangsschild des APC´s. Die Anlage sieht der in Tsumeb sehr ähnlich, nur der Garten fehlt.

Unser Aufenthalt dort ist recht kurz, denn im Grunde geht es nur darum, einige Instrumente zur Reparatur nach Tsumeb zu bringen. Wir werden von unheimlich vielen Menschen herzlich begrüßt und umarmt, die ich zumindest noch nie zuvor gesehen habe. Die Atmosphäre ist wirklich schön. Zum Empfang wird für uns eine mitreißende Session im Marimba-Haus veranstaltet, es wird mit einer Begeisterung improvisiert, wie ich es selten erlebt habe. Die Musik ist schwer in Worte zu fassen, aber kurz gesagt klingt es einfach richtig afrikanisch, verzeiht mir dieses Klischeedenken. Wir Besucher beteiligen uns mit Trommeln und Rasseln, jemand fängt an zu tanzen. Die eigentliche Tanzaufführung folgt jedoch nun erst, traditionelle Tänze gezeigt von einer Gruppe Kinder. Wieder einmal bin ich völlig hingerissen von der Art, sich zu bewegen. Als Europäer ist es mir ein Rätsel, wie man so tanzen kann.

An Ovambo Home
Nun müssen wir uns aber beeilen, den Rückweg anzutreten, da wir nicht hundertprozentig auf die Funktion der Autoscheinwerfer vertrauen können. Vorher machen wir jedoch noch Halt bei einem traditionellen Ovambo-Zuhause. James, der Leiter des APC Oshikuku, lädt uns zum Essen ein und wir haben Gelegenheit, uns anzusehen, wie seine Familie und viele andere leben. Ein durch einen selbst gebauten Holzzaun begrenztes Gelände, auf dem sich einige runde Strohdachhütten befinden, dazwischen Sand und Hühner. 
Traditionelle Hütten eines Ovambo Homes







Ein älterer Mann und eine Frau sitzen im Schatten, James´ Eltern. Wir begrüßen sie respektvoll und geben uns mit unseren kaum nennenswerten Oshivambo-Kenntnissen größte Mühe. Englisch scheinen die beiden nicht zu sprechen. Unter einem Strohdach befindet sich eine Feuerstelle. „That is our kitchen.“ Hier wird also gekocht. Einige Meter weiter steht ein kleines Steinhaus, das Zimmer unseres Gastgebers, in welchem er sofort die Stereoanlage anschaltet. Der Kontrast hätte größer nicht sein können. Wir setzen uns draußen an einen bunten Blechtisch und vor dem Essen wird zum Händewaschen eine Schüssel mit Wasser und Seife serviert. Gegessen wird nicht mit Messer und Gabel von Tellern, sondern mit den Fingern gemeinsam aus zwei mit Mahangu gefüllten Körben und einer Schüssel mit Chicken. Nach wie vor schaffe ich es längst nicht, dabei so elegant auszusehen, wie die Ovambos. Wie auch, wenn man sein Leben lang gelernt hat, mit Händen essen gehöre sich nicht.

Back home...
Nach einigen Umwegen, auf denen wir noch diversen Familienmitgliedern Besuche abstatten sowie unbekannte Menschen zwei Kilometer weiter zum nächsten Ramschladen fahren müssen, treten wir also tatsächlich den Rückweg an. Scheinbar. Zehn Minuten später wird jedoch schon an der nächsten Shebeen angehalten, wo wir unheimlich viele „alte Bekannte“ treffen und bei einigen Flaschen Bier die nächste Stunde mit netten Unterhaltungen und einer Juke-Box verbringen. Als irgendjemandem auffällt, dass es inzwischen sechs Uhr abends ist und vor uns noch 350km Fahrt liegen, wird langsam zum Aufbruch gedrängt. Die verlorene Zeit holen wir einfach auf, indem wir etwas schneller fahren. 120km/h sind erlaubt, aber das macht nichts. Die Rückfahrt verläuft ähnlich wie die Hinfahrt, aus unerfindlichen Gründen ist die Stimmung sogar noch ein bisschen lustiger. Inzwischen gibt es eine dritte CD mit Rap-Musik. Man versucht sogar, dazu zu tanzen, was sich in der zwangsläufig gebückten Haltung aufgrund der zu geringen Höhe des Autos doch etwas schwierig gestaltet. 

Eine lustige Autofahrt...
Wider Erwarten funktionieren die Scheinwerfer nach einigen Versuchen doch, was bei der mittlerweile einbrechenden Dunkelheit doch von Vorteil ist.
Als wir Tsumeb nach einigen Zwischenstopps erreichen ist es etwa 10 Uhr, ich hätte spontan eher auf 12 getippt. Obwohl ich den ganzen Tag nichts getan habe, als herum zu sitzen, bin ich völlig erledigt. Aber aus irgendeinem Grund, habe ich jedoch das Gefühl, dass die Aktion das wert war.

1 Kommentar:

  1. Liebe Mareike, das ist einfach super was Du schreibst. Solltest Du mal drucken lassen, ich würde es kaufen.
    Also ich hab mich echt gut amüsiert gerade. Schön zu wissen, dass es Dir gut geht und alles soviel Spaß macht. Zumindest vieles.

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